HAZ Bericht vom 23. Juli 2024 Text: Thorsten Berner Fotos: Werner Kaiser
Borsumer Tischtennis-Oldies: Wie aus einer Schnapsidee eine Erfolgsgeschichte wurde – und warum früher „kalter Krieg“ herrschte
Es ist vielleicht das erstaunlichste Hildesheimer Sport-Comeback des Jahres: Sechs ehemalige Tischtennis-Weggefährten gehen wieder gemeinsam auf Punktejagd – und das äußerst erfolgreich. Sie erzählen zudem von einem „Tischtennis-Krieg“, der sogar zum Fall für den Staatsanwalt wurde.
„Es war eine Schnapsidee, die nach dem dritten Bier zur Realität wurde.“ So beschreibt Olaf Böhm die Gründung einer ebenso außergewöhnlichen wie schlagkräftigen Tischtennis-Truppe.
Nach dem dritten Bier stand fest: Sie machen es!
Böhm war es gewesen, der ehemalige Weggefährten im Oktober des vergangenen Jahres in der Hildesheimer Lokalität „Chapeau Claque“ zu einer „wichtigen Angelegenheit“ zusammengetrommelt hatte. Sein Vorschlag: „Wollen wir nicht ein Team bilden und gemeinsam auf Punktejagd gehen?“ Es wurde dann erstmal viel über die „guten alten Zeiten“ geplaudert, die freilich nicht immer nur gut waren. Dazu später mehr.
Als der Abend im „Chapeau Claque“ schon etwas fortgeschritten war, wurde beschlossen: „Wir machen es.“ Und so schlugen Olaf Böhm (60), Michael Berges (61), Achim Balkhoff (72), Michael Schumacher (64) und Norbert Heineke (64) unter dem Dach des TTS Borsum in der Ü60-Verbandsliga auf.
Älteren Tischtennis-Experten werden die Namen noch gut bekannt sein. Alle zählten früher zur Creme de la Creme in der Tischtennis-Region, sie spielten in der zweiten oder dritten Liga. Dass sie es immer noch können, stellten sie eindrucksvoll unter Beweis. Die Gegner hatten nicht den Hauch einer Chance. Mit 24:0 Punkten wurden die TTS-Cracks souverän Meister. „Der knappste Teamerfolg war ein 8:2“, berichtet Böhm. In der kommenden Saison geht die Truppe in der Niedersachsenliga den Start.
Auch wenn Böhm und Co. älter geworden sind, stellen sie klar: „Der Ehrgeiz ist immer noch genauso groß wie vor 30 Jahren.“ Und der Trainingsfleiß auch: Zweimal in der Woche treffen sie sich in der Borsumer Kaspelarena zum Training. Und da wird nicht rumgedaddelt. „Wir haben schon den Anspruch, unsere Leistung zu halten oder sogar noch zu verbessern“, so Böhm.
Zudem sind die meisten Spieler auch noch bei den Herren aktiv, wo sie manch’ jüngerem Gegner das Fürchten lehren. Reinhold Dormeier ist mit 59 Jahren der Youngster im Team. Der Sportwart des TTS Borsum spielt für die dritte Herrenmannschaft des TTS in der Bezirksliga. Mit bald 60 darf er in der nächsten Saison auch für die Senioren 60 antreten, was die Qualität des Teams noch einmal anheben dürfte.
Auch Olaf Böhm, Norbert Heineke und Michael Berges schlagen für TTS III auf. Michael Schumacher ist in Hönnersum am Ball und Achim Balkhoff spielt beim RSV Achtum.
Balkhoff ist Vorsitzender des Fußball-Oberligisten VfV Borussia 06 Hildesheim und hatte den Tischtennis-Schläger eigentlich schon an den Nagel gehängt. Doch Niklas Hartmann, Stadionsprecher des VfV 06 und TT-Spartenleiter in Achtum, überredete ihn zum Comeback. Als seine Frau Rita grünes Licht gab, sagte Balkhoff schließlich zu. Mit 72 Jahren ist er nun für Achtum und die Borsumer Ü60 im Doppeleinsatz. „Ich habe immer noch total Bock auf Tischtennis“, betont er. Seine Mitspieler nicken heftig.
„Schmarotzertum“: Ein Fall für den Staatsanwalt
Und so spielen und schmettern sie die Bälle, dass es eine Augenweide ist, ihnen zuzusehen. Nach dem Training geht es zur „Taktikbesprechung“. Bei kühlen Getränken wird dann über die alten Zeiten geplaudert, über glorreiche Siege und unverdiente Niederlagen – und manchmal auch über ein düsteres Kapitel der Hildesheimer Tischtennis-Historie, das mit einem Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft seinen unrühmlichen Tiefpunkt erreichte.
Nun soll der Fall hier nicht noch einmal in Gänze aufgerollt werden, wir sind ja nicht bei „Aktenzeichen XY“. Die Kurzversion geht so: Die Vereine Caravan und Post-SV wetteiferten vor Jahrzehnten um die Vorherrschaft in Hildesheim. Entsprechend groß war der Ärger, wenn Spieler von einem Verein zum anderen wechselten.
Besonders der Abgang von Achim Balkhoff – damals einer der besten Spieler im Kreis, von Caravan zu den Postlern – sorgte für großen Unmut. Die Caravan-Verantwortlichen warfen dem Post-SV unlautere Abwerbemethoden und gar „Schmarotzertum“ vor. Es sei viel Geld im Spiel. Balkhoff bestritt dies – und der Post-SV stellte einen Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft wegen „übler Nachrede und Verunglimpfung eines Sportvereins“.
„Kalter Tischtennis-Krieg“ in Hildesheim titelte damals die HAZ. Es ging hoch her, aber die Sache endete wie das berühmte „Hornberger Schießen“. „Es verlief dann alles irgendwie im Sande“, so Balkhoff.
Zeit für neue Geschichten
Die alten Storys sind interessant, aber die TTS-Oldies blicken nach vorn. Olaf Böhm formuliert das Ziel für die kommende Saison glasklar: „Wir wollen auch in der Niedersachsenliga Meister werden.“ Wenn es so kommt, wäre die Mannschaft für die Endrunde um die deutsche Ü60-Meisterschaft qualifiziert: Zeit für neue Tischtennis-Geschichten.